Der Lösungsweg für Leute wie mich ohne Visum geht so: Man reist in ein US Gebiet mit einem “official carrier” (also mit dem Flugzeug oder, wie in meinem Fall, mit der Fähre) ein nur mit Paß und ESTA. Dann bekommt man per einem Stempel die Erlaubnis, sich 90 Tage lang auf US amerikanischem Boden aufzuhalten. Zurück geht’s mit der Fähre dahin wo das eigene Boot noch wartet und jetzt kann man mit dem eigenen Schiff wieder einreisen, da man ja einen Stempel hat. Das steht so im Internet und ich habe viele Leute gesprochen, die davon auch gehört hatten, aber bestätigen konnte mir das bis jetzt niemand.

Ich wollte los und in den BVI (British Virgin Islands) ankommen (um dort endlich herauszufinden, ob das so geht) bevor das angekündigte dicke Wetter käme.
Ich klarierte in Antigua aus, machte noch eine Wanderung und fuhr in der Abenddämmerung los, um hoffentlich zwei Tage später in Tortola im Hellen und früh genug um noch einzuklarieren anzukommen. Die Etappe war knapp 200 Seemeilen lang.












Anfangs stand noch eine unangenehme Welle vor Antigua aber bald entwickelte sich alles zu einer ruhigen und entspannten Segeletappe (zumindest für die ersten 24 Stunden). Ich konnte viele meiner 20min Schlafetappen unterbringen. Am nächsten Tag passierten wir St Kitts und Nevis und Saba. Am Abend des nächsten Tages nahm Wind und Welle zu. Wir flogen dahin mit 5-6 Knoten und einer zunehmend unangenehmeren Welle direkt von der Seite. In der Nacht gab es wieder einen Squall nach dem anderen und ich war mit dauerndem Ein- und Ausreffen beschäftigt. In der Morgendämmerung blies es mit 25 Knoten und mehr und müde wie ich war, ließ ich einfach das zweite Reff im Groß. Wir waren jetzt eh schnell genug, um es rechtzeitig nach Road Town zu schaffen.






Die riesige Bucht bot einen einigermaßen geschützten Ankerplatz und nachdem das Dinghy klargemacht war, ging es los, um uns dem britischen Customs and Immigration vorzustellen. Das Büro war zuerst nicht ganz so leicht zu finden und als ich ankam, waren die Beamten zwar sehr freundlich, aber auch sehr in Eile, denn in wenigen Minuten sollte eine Fähre ankommen. Ich füllte alles aus so schnell ich konnte und war nach 15 Minuten fertig und hatte 13$ US bezahlt anstelle der erwarteten 120$ US. In der Eile mußten die wohl etwas vergessen haben.
Den nächsten Tag blieb ich an Bord wegen des erwarteten stürmischen Windes. Die Bucht ist relativ gut geschützt, also gab es kein Problem mit dem Wind aber ein ziemlich ekelhafter Schwell findet seinen Weg um die Ecke und so war Schlafen, Kochen und überhaupt Sich-Wohlfühlen fast unmöglich. Ich recherchierte so viel ich konnte für meinen Fährausflug zu den USVI und fing an etwas aufgeregt zu werden.



Am Sonntag fuhr ich noch im Dunkeln vor 6 mit dem Dinghy zum Dock und nahm die erste Fähre nach St. Thomas via St. John, wo alle US Customs und Immigration passieren mußten. Ich hatte beschlossen, gleich die Wahrheit darüber zu sagen, daß ich den Stempel nur bräuchte um ohne Visum mit dem Boot wiederkommen zu dürfen. Auf diese Weise, dachte ich, würde ich gleich herausfinden, ob das ganz eine den Beamten bekannte und legale Vorgehensweise war. Ich war sehr aufgeregt und muß wohl auch so ausgesehen haben und ich hatte das Pech, an einen jungen Officer zu geraten, der anscheinend seinen Vorgesetzten und mir zeigen wollte, daß er sehr tough war. Ich erspare den Leserinnen und Lesern die ganzen Details, aber hier nur ein paar. Ich schwitzte ziemlich. Es ist sehr heiß in den Tropen, ich schwitze eigentlich immer, aber jetzt noch mehr. Dadurch funktionierte der Fingerabdrucksensor nicht mehr. Meine Nachname wurde im Paß mit ü, im ESTA mit u und auf dem Einreisezettel mit ue geschrieben. Ich konnte den Mann durch die Scheibe nicht sehr gut verstehen und er mußte wohl “step aside, sir” gesagt haben, aber das hatte ich beim ersten Mal nicht gehört. Es wurde nun alles ziemlich laut und die Dinge gingen relativ flott den Bach hinunter. Als nächstes fand ich mich in einem Raum eingeschlossen. Ich wartete. Nach ungefähr 20 Minuten wurde ich gerufen. Mittlerweile ging ich davon aus, daß die Fähre längst ohne mich abgelegt hatte. Es kaman die gleichen unnötigen Fragen, die zu nichts führten, aber nun wurde endlich der Vorgesetzte geholt. Dieser Herr war sehr höflich und alles ging plötzlich ganz einfach. Innerhalb von ein paar Minuten hatte ich meinen Stempel, traute mich jetzt aber nicht noch zu Fragen, ob ich nun mit dem eigenen Boot wiederkommen dürfte. Erst deutlich später merkte ich wie aufgebracht und nervlich angekratzt ich wirklich war.
Die Fähre war noch da und alle hatten auf mich warten müssen. Zum Glück hatten die Menschen mitbekommen, daß es eigentlich nicht mein Fehler war und alle waren freundlich und verständnisvoll.
In St. Thomas angekommen machte ich mich sofort in einem Bus auf nach Charlotte-Amalie wo die Segelboote ankommen und fand dort ein weitere Büro der US Customs and Border Protection. Hier war eine völlig andere Atmosphäre. Die Dame war sehr freundlich und geduldig und ich bekam alle meine Fragen beantwortet und ein Formular, daß ich unterwegs schon einmal ausfüllen könnte, damit die Abfertigung schneller geht, wenn ich dann mit Amy zurückkäme. Der Lösungsweg war also scheinbar bekannt und legal und es sah ganz so aus, als könnte ich nun mit Amy die USVI, Puerto Rico und später auf dem Rückweg Miami, Florida besuchen.
Zurück ging’s mit dem Bus nach Red Hook. Manche sprechen hier englisch mutamerikanischem Akzent, manche mit karibischen (klingt wie Harry Belafonte), manche sprechen spanisch und wieder andere französisch bzw. kreolisch. Und das alles in einem Bus ohne, daß Touristen dabei wären.
Was mir auch noch aufgefallen war… obwohl das hier US Gebiet ist, wird links gefahren. Allerdings haben alle Autos das Steuer auf der linken Seite wie in den USA oder bei uns.
Es wurde schon dunkel als ich nach Road Town zurückkam aber ich hatte das Ankerlicht eh angelassen. Ich hatte ziemlich Hunger und wollte unbedingt Pizza essen. Ich wußte, daß es im Supermarkt in der Nähe des Dinghy Docks warme Pizza Stücke zu kaufen gab. Ich ließ mir zwei geben und stellte mich an der Kasse an. Vor mir stand ein Herr, der anscheinend bester Laune war mit seinem Sohn. Wir unterhielten uns ein bißchen und machten ein paar Witze. Bevor ich wußte, was eigentlich passiert war, hatte er für meine Pizza bezahlt, gesagt “enjoy your pizza” und war gegangen. Der Tag wurde einfach immer besser. Die Fahrt mir dem Dinghy war naß und rauh. Der Wind hatte weiter zugenommen. Als ich ankam war die Pizza kalt. Aber das war mir völlig egal. Immerhin hatte ich ja warmes Bier, was ich dazu trinken konnte.
Der Schwell wurde immer schlimmer un dich konnte nicht schlafen, aber draußen war das Wetter immer noch zu rauh zum Losfahren. Nachdem ich noch einen Tag geblieben war, an dem ich eine Online Gitarrenstunde gegeben, meine Haare geschnitten, die Nationalflagge, die schon ganz zerfleddert war genäht und mein Lieblingsdeo in einem Supermarkt gefunden hatte, klarierte ich aus den BVI aus, nutze die 24 Stunden, die einem gegeben werden um das Land zu verlassen, um noch Peter Island zu besuchen. Eine kleine Insel südlich von Tortola. Hier gab es keinen Schwell und viel Platz. Ein sehr ruhiger Platz, den ich sehr genoß. Ich schrubbte mal wieder Amys Unterwasserschiff und schrieb im Blog. Am nächsten Tag würde es erneut nach St. Thomas gehen. Das erste mal in US Hoheitsgewässer mit dem eigenen Boot.








Hey Kai, super dass das mit dem Visumstempel geklappt hat! Dann frohe Fahrt weiter nach Puerto Rico! Deine Bilder und Erzählungen sind großartig und bringen uns Dein Abenteuer in die wohlige Berliner Butze. Alle fiebern mit und verfolgen Deinen Trip. Du bist echt n Held! Und „Oh Solitude, my sweetest choice“ wird der Hit! Lieben Gruß vom Heimathafen, Niki
Lieber Niki!
Danke Dir. Heute bin ich also mit Amy in St. Thomas eingereist. „Welcome to the United States“ hieß es, nachdem der ganze Bürokram erledigt war. Geht auch anders. Bin sehr froh.
Viele Grüße und bis bald
Kai
Hallo Kai,
bin seit einigen Monaten ab und an auf Deiner Seite und kann so von der wundersamen Reise, zeitweise mit Sissi, etwas erfahren. Ich hoffe es ist Dir recht.
Da wird wohl ein recht veränderter Kai zurückkehren. Soviel Mut und Kraft wie bisher, sollen Dich weiter begleiten und danke für Deine kurzweiligen Reiseberichte, die ich mit Freude lese.
Liebe Grüße aus Berlin
Dolly
Liebe Dolly!
Danke für Deine Nachricht. Klar ist mir das recht. Ich freu mich drüber.
Bin gerade in Culebra, Puerto Rico angekommen und sitze in einer Bar mit WLAN und warte auf den Videoanruf vom Customsofficer, der mich hoffentlich ins Land läßt. War schon zu Fuß am Flughafen, aber da war keiner:-) Bin gespannt.
Viele Grüße
Kai
Junge, junge manche Ami Beamte haben echt nen Knall. Na ja, du hast es ja überstanden. Dann weiterhin viel Glück und natürlich auch Spaß auf deinem wilden Trip! Herzlich, Andreas
Lieber Andreas!
Ja, allerdings würde ich denken, das hat mir der Nationalität gar nichts zu tun. Ich fürchte, dass könnte bei uns genauso passieren. Das Schöne ist jedenfalls, daß ich seitdem von den Damen und Herren der US Customs and Border Protection ausschließlich superfreundlich empfangen wurde. Sowohl in USVI, als auch hier in PR. Heute abend geht’s weiter auf die Hauptinsel. Bis jetzt genieße ich hier alles sehr. Ist total anders, als die Inseln vorher.
Mal sehen, vielleicht treffe ich ja Freddie:-)
Machs gut und viele Grüße
Kai
Hi Kai, na das freut mich, dass die anderen amerikanischen Beanten cool und nett waren! Ich hatte letzten Dienstag Abend auch ein wenig erbauliches Erlebnis mit bundesdeutschen schwer bewaffneten Polizeibeamten einer Antiterroreinheit der Berliner Polizei, die mich für den flüchtigen Ex-RAF Terroristen Garweg gehalten haben. Näheres dazu unter dem Menue „blog“ auf meiner Webseite unter dem Titel “ Der schwarze Hut war schuld…“ Lieben Gruß und bis bald Andreas
PS: Auf Puerto Rico lebt ein alter Bekannter von mir, Freddie Santiago. Toller Percussionist. Vielleicht läufst du dem ja zufällig (haha) übern Weg. Wenn ja, schöne Grüsse.