I wollte hierfür eigentlich wieder einen Film machen, der die ganze Geschichte erzählt. Ich habe dann aber gar nicht viel gefilmt, weil ich teilweise weder Zeit noch Energie dazu hatte. Mit dem Material was ich habe, werde ich später aber noch einen kleinen Film hochladen.
Die Abfahrt in Mindelo war eine ziemlich emotionale Angelegenheit. Zissi war amMorgen wieder abgereist und ich machte relativ kurz darauf die Leinen los. Ich war traurig, aufgeregt, hatte Angst aber vor allem freute ich mich riesig auf dieses neue Abenteuer: den Atlantischen Ozean zu überqueren. 1800 Seemeilen von Moindelo in Cabo Verde zu den Îles de Salut in französisch Guyana. Da Zissi und ich schon vorher mit der Fähre nach Santo Antao gefahren waren, wußte ich wie rauh der Kanal zwischen den beiden Inseln sein konnte. Es war sehr windig also ließ ich zunächst das Großsegel unten und wir flogen Richtung Santo Anatom Südspitze mit nur ein bißchen aufgerollter Genua. Die Wellen waren sehr ungemütlich, wurden aber nach 10h kleiner. Der Wind würde für die ganze Fahrt platt von hinten kommen also baumte ich später die Genua zur einen und das Groß zur anderen Seite aus. Wir fuhren “Schmetterling”, was immer für ein etwas unangenehmes Rollen im Boot sorgt. Die ersten paar Tage waren einfaches Segeln. Ich kochte schöne Mahlzeiten, feierte mein Leben, las, brat fliegenden Fisch, der sein Vorzeitiges Ende in meinem Cockpit gefunden hatte, zum Frühstück. Ich war unterwegs und lachte und weinte einfach aus purer Freude und konnte kaum glauben, daß das alles gerade wirklich stattfand.

Am nächsten Tag riß der Block aus der Backbord Holepunktschiene für die Genua heraus. Das Segel flatterte laut im Wind. Ein kleines bißchen Chaos, aber einfach un dschnell zu reparieren.
Kurz danach riß einer der Blocks für Waynes Steuerleinen vom Heckkorb ab. Eine etwas schwierigere Aufgabe: John, der Autopilot war zu schwach für die Wellen und konnte Amy nicht auf Kurs halten, während ich eine Ersatzhaltung bastelte. Wir mußten für die Reparatur beidrehen. Danach ging alles gut und wir waren wieder unterwegs.










Am nächsten Morgen hatte der Wind ordentlich zugenommen. Wir hatten nun 25 Knoten, in Böen 30. Die Wellen waren natürlich auch größer geworden und es gab eine sehr unangenehme Kreuzsee direkt von der Seite. Diese machte die Rollbewegung noch extremer und unter Deck fingen die Sachen nun an umherzufliegen. Wayne steuerte ohne mit der Wimper zu zucken und insofern lief alles gut, außer daß ich jetzt erstmal keine Lust mehr hatte zu kochen, da ales immer sofort umherflog. Ich brauchte ab jetzt fast immer beide Hände um mich festzuhalten. Selbst wenn ich saß mußte ich mich festhalten um nicht umhergeworfen zu werden.
Den Morgen darauf schaute ich am Mast hinauf und sah, daß das Fockfall lose hin- und her schaukelte. Beim näheren Hinsehen fand ich heraus, daß es direkt über dem Segel abgerissen war. Das war ein schwerer Schlag. Zum Glück war das Segel bis jetzt nicht heruntergerutscht, da es wegen des Starkwindes so weit aufgerollt gewesen war, daß ie Rolle das Segel irgendwie oben gehalten hatte. Ich hatte 800 Meilen geschafft und noch 100 vor mir, für die ich nun nur noch das Großsegel zur Verfügung hatte. Das war auf jeden Fall nicht gut. Eine andere Sache, die mir Kopfschmerzen bereitete: sollte das Vorstag brechen, würde der Mast sofort runterkommen. Da mir in Polen schon einmal das Vorstag gebrochen war, wußte ich daß diese Sachen schonmal passieren. Zu der Zeit war aber mein Fockfall noch dran und konnte den Mast halten. So kamen wir damals noch bis ich Hause. Jetzt wußte ich das das ständige Schamfilen (Reiben und schleifen) anscheinend reihenweise den Dingen an Bord den Garaus machte. Warum nicht auch dem Vorstag?
Die Situation war so: Würde der Mast jetzt umfallen, hatte ich ein ekleine Chance, indem ich mir eine Art Minimast zurecht sägen und bauen und daran ein Minisegel befestigen würde. Mit dieser Bastelei müße ich dann noch 1000 Meilen fahren bzw. 700, denn ich hatte 60l Diesel an Bord, mit den ich ungefähr 300 Meilen schaffen konnte. Es führte kein Weg daran vorbei. Ich mußte den Mast hoch und ein neues Fall anschlagen. Ich kam ungefähr bis zur Hälfte mit unzählbaren blauen Flecken. Die See war einfach zu rauh und ich mußte meine Mission abbrechen. Ich versuchte es später noch einmal mit noch weniger Erfolg. OK… also kein neues Fockfall… Die gute Nachricht: Die Genua wr immer noch dran und ich konnte sogar ein handtuchgroßes Stück zum Schmetterling fahren ausbaumen. Da ich mit der Segelstellung wie sie war und leichten Winddrehern nicht auf meiner Großkreisroute bleiben konnte, mußte ich täglich ein bis zweimal schiften. Das bedeutete erst eine Halse zu fahren, um das Großsegel auf die andere Seite zu bringen, Bullenstander auch auf der anderen Seite befestigen und dann ganz vorne mit dem Spinnaker Baum und der Minifock auch die Seite zu wechseln. Eine Routine, die ich schon in 10 Minuten geschafft hatte, für die ich aber unter diesen Bedingungen 90 Minuten brauchte.
Das nächste was kaputt ging war der Radarreflektor. Er fiel einfach vom Masttop herunter und zerschellte auf dem Solarpanel bevor er über Bord ging. Das Panel funktionierte zum Glück noch. Ich weiß nicht, ob es vielleicht ein bißchen weniger Leistung brachte als vorher, aber zumindest hatten wir weiter Energie. Der starke Wind hielt jetzt schon seit einer Woche an und wurde langsam müde und frustriert. So hatte ich mir meine Atlantiküberquerung überhaupt nicht vorgestellt. Ich sah mich mit Buch in der Hand, Gitarre spielend, Aufnahmen machend, beim Filmen, Kochen, Segel einstellen, um’s Boot kümmern, Kochen etc. Ich aß mittlerweile kalte Konservendosen. Ich tat mir ziemlich leid und fing an, die Götter und das Meer zu verfluchen und die Crew anzuschreien, die ja mit diesen Problemen gar nichts zu tun hatte.
Wir fuhren mittlerweile regelmäßig durch Squalls. Das sind so eine Art Minigewitterzellen ohne Blitz und Donner aber mit sehr viel Wind und unglaublichem Platzregen. Bei Tag kann man sie gut kommen sehen und rechtzeitig reffen, aber nachts werden sie zur unangenehmen Überraschung. Wenn das Boot schon auf der Seite liegt, ist es ein bißchen spät zum Reffen. Es muß aber natürlich trotzdem gemacht werde. Im Dunkeln und dem Platzregen und dem windigen Chaos.
Später brach dann der andere Umlenkblock für Waynes Steuerleinen. Jetzt hatten wir ein größeres Problem, denn ohne richtiges Vorsegel konnten wir auch nicht beidrehen. John konnte auf jeden Fall nicht in den Wellen steuern und ich brauchte eigentlich zwei Hände für mich zum Festhalten und könnte vielleicht mit Hilfe von Mund, Nase und Füßen die neue Blockhalterung bauen, aber auf jeden Fall nicht dabei noch steuern. Ich weiß nicht mehr, wie ich’s gemacht habe. Aus dem Logbuch weiß ich, daß ich drei Stunden dafür brauchte. Danach ging ich unter Deck, weinte noch eine weitere Stunde aus Verzweiflung und Erschöpfung. Ich ließ Wayne und Amy machen und brauchte dringend eine Ablenkung. Die fand ich in Form eines Films auf meinem Tablet. Ich suchte per Zufall “Hectors Reise, oder die Suche nach dem Glück heraus”. Es war faszinierend und ich war sehr bewegt. Es war, als würde der Film zu mir sprechen und Hectors Reise war meine Reise und umgekehrt.
Danach konnte ich mich zusammenreißen und endlich anfangen, die Fahrt zu genießen und nicht enttäuscht zu sein. Obwohl nichs so war, wie ich mir vorgestellt hatte, konnte ich mich jetzt endlich über das Meer, die ständig wechselnden Farben am Himmel und darüber freuen, daß ich gerade dabei war, mit Amy einen Ozean zu überqueren.



Wir waren noch ungefähr viert Tage von der Küste entfernt und der Wind ließ nach und jetzt gab es wieder entspanntes herrliches schnelles Passatsegeln ohne Anstrengung. Delphine begleiteten uns eine Weile und ich kochte wieder Mahlzeiten. Das Vorstag hatte bis hier gehalten und wir waren fast an dem Punkt, von dem ich es sogar unter Motor zu Küste schaffen würde, sollte der Mast fallen. Das Leben war gut und einfach.
Nach ein paar Tagen war klar, daß wir nicht im Hellen ankommen würden. Schade. Ich hatte mich auf den Teil gefreut, wo ich nach 2 1/2 Wochen die Inseln erblicke und “Land In Sicht” brülle. Naja,… man kann nicht alles haben. Das Gute war: es gab keine gefährlichen Riffe in der Nähe, alles war befeuert und man würde die die Bucht problemlos auch bei Nacht anfahren können.
Natürlich hielt Neptun oder das Meer oder wer oder was auch immer noch einen letzten Test für die letzte Nacht auf See für uns parat:
Ich war im Squall nach vorne zum Reffen gegangen (es stürmte und regnete aus Eimern) als der Großschottraveller mit einem lauten Knall brach. Die Schot mit ihrem großen Block ging sofort über Bord (hing aber zum Glück noch am Baum) und das Segel flatterte wild. Wayne verlor den Kurs und Amy legte sich auf die Seite. Ich hatte gerade den Bullenstander gelöst und hielt den ziemlich teuren Bloch und ziemlich teuren Schnappschäkel in meiner hand. Durch den Schock lies ich beide irgendwie los ud das Paar ging über Bord. Naja… gab jetzt wichtigeres zu tun, als sich zu ärgern. Ich rannte nach hinten ins Cockpit, fischte die Schot aus der Suppe und bastelte einen Traveler Ersatz aus einer Leine, die quer übers Cockpit spannte. Dabei fiel ich hin und genau auf die beiden gebrochenen scharfen Stahlteile, die nun aus der Schiene herausguckten und sich in mein Bein bohrten. Es tat noch nicht mal sehr weh, blutete aber sehr. Das Cockpit sah aus, als hätte ich gerade eine großen Fisch gefangen und hier geschlachtet. Ich habe noch nie einen großen Fisch gefangen und geschlachtet, aber so stellte ich mir das vor. Auf jeden Fall mußte ich etwas veranstalten mit der Wunde und so nahm ich die Segel runter, goß jede Menge Jod auf mein Bein und verpackte alles mit einer Kompresse. Dann versuchte ich, mich zu beruhigen.
Ich entschied, daß ich zu aufgeregt und durcheinander für die Navigation zu den Inseln und das Ankerrmanöver war und besser die Nacht über draußen bliebe.
Am nächsten Morgen war es ein Leichtes, die Bucht zu finden und den Anker fallen zu lassen und ich war scheinbar im Paradies angekommen. Die Îles de Salut waren Teil von Frankreichs Strafkolonie und haben eine düstere Geschichte. Es ist aber ein wunderschöner Or und ich blieb für ein paar Tage, machte die nötigen Reparaturen inklusive Mastklettern und Fall einfädeln.
Danach fuhr ich 120 Seemeilen bis nach Saint Laurent du Maroni am Grenzfluss zwischen französisch Guyana und Suriname.
Hier warte ich auf die beiden Österreicher, die ich schon seit La Gomera kenne und wir werden hier alle Weihnachten zusammen feiern.































Mann o Mann Kai, das ist ja schon ein heftiges Brett was Du da mit der Soloatlantiküberquerung hinter Dich gebracht hast. Ich bin sehr froh, dass du das einigermaßen heil überstanden hast. Ich habe das Logbuch von Kolumbus und die Reiseberichte von Georg Forster gelesen. Die hatten zwar kein elektronisches Navigationssystem aber waren auch nicht allein auf diesem gigantischen Ozean bzw Ozeanen. Ich verfolge deine Route über den Atlantik fast täglich und habe mir immer versucht vorzustellen, mit was du es gerade zu tun und welche Herausforderungen du zu meistern hast. Aber dein Bericht topt das natürlich alles. Alle Achtung dass du da so tapfer durch bist. Dazu gehört ne riesen Portion Disziplin, Selbstüberwindung, Mut, Kraft, Geschick und wohl auch ein bisschen Glück. Viel Glück, Kraft und Erolg weiterhin und schöne Weihnachten, Andreas
Euch auch schöne Weihnachten und liebe Grüße!
Kai
Hallo Kai, ganz große Gratulation zur gelungenen atlantiküberquerung und dem Händeln der blockbrüche & co. Hab eine gute Erholung und hoffentlich auch etwas Freude damit, Any zu pflegen.
Gregor
Hallo Gregor!
Vielen Dank für Deine Nachricht. Ja, ich erhole noch gerade sehr gut.
Ist sehr spannend hier.
Viele Grüße und schöne Weihnachten
Kai
hallo kai, noch als Erklärung, woher ich komme: ich bin ein Freund von Christoph Eisenhardt aus Berlin, jetzt Mannheim, und du und ich haben uns Anfang der 90er ein paar mal bei ihm gesehen. Ciao Gregor
Hi Gregor!
Danke Dir für die Erklärung. Ich wußte schon Bescheid, da ich mit Christoph telefoniert hatte. Ich konnte Dich zwar zuerst nicht so ganz einordnen (zur mir leid), hatte noch aber eh sehr über Deinen Kommentar gefreut.
Viele Grüße und guten Rutsch
Kai
Lieber Kai, wir haben ja neulich lange telefoniert wobei du mir sehr eindrücklich deine nicht immer einfache Atlantiküberquerung geschildert hast. Aber wenn man deinen Film anschaut, wird einem nochmal sehr deutlich wie winzig deine Amy ist und was für eine Leistung diese Soloatlantiküberquerung war und ist. Das ist wirklich außergewöhnlich! Dir auch nochmal schöne Weihnachten und einen wunderbares hinübersegeln in 2024! Ich begleite dich weiterhin virtuell auf deinem Abenteuer. PS: ich erinnere mich übrigens auch noch an Hutong house. Davon hab ich auch noch eine Aufnahme. Hast du die noch? Liebe Grüße, auch von Nina, Andreas
Lieber Andreas!
Danke, ja die Aufnahme habe ich auch noch. Bin grade zurück von einer 3 Tage Hinterland Dschungel FlußTour. War wahnsinnig schön. Ich vermute ähnlich, wie in Manaus.
Guten Rutsch. Ich werde Silvester und Neujahr auf See verbringen auf den weg nach Tobago.
Viele Grüße
Lieber Kai,
Das was Du erlebst, passt in mehrere Filme 🎥!!!!!!! Ich wünsche dir sehr besondere Weihnachten mit netten Menschen um dich rum!!!!!
Für uns hier in Berlin sind deine berichte eine absolute Bereicherung. Ehrlich, ich finde das so beeindruckend, was du da machst. Das lässt immer kurz vergessen, wie schrecklich vieles auf unserem Planeten ist. Merry Christmas, liebe Grüße Von Friederike
Liebe Friederike!
Ein US amerikanischer Segler, den ich in Porto Santo kennengelernt habe, sagte eines Abends: that’s why I go sailing: it restores my faith in humanity.
Damit ist vieles gesagt und wenn ein bißchen etwas davon durch den Blog rüberkommt, bin ich sehr froh.
Schöne Weihnachten und viele Grüße
Kai