Cabo Verde

Wir sind gerade in Mindelo auf São Vicente, einer der Kapverdischen Inseln und bereiten uns auf die Überfahrt vor. Zissi war vor knapp zwei Wochen in Sal dazu gekommen und wir haben ein paar Inseln mit dem Boot besucht. In der “Floating Bar” über die ich schon gelesen hatte haben wir neue Menschen kennengelernt und alte Bekannte von den Kanaren wiedergetroffen und manchmal kann ich einfach nicht glauben, daß ich tatsächlich hier bin… auf den Kapverden…4000 Seemeilen entfernt von dort wo ich aufgebrochen bin und Sprungbrett für die Überquerung des Atlantischen Ozeans.

Bevor ich am 1. November in La Gomera aufbrach, hatte ich noch eine besonders schöne Wanderung unternommen.. Ich war mit der GuaGua (dem öffentlichen Bus) von der Busstation in San Sebastián losgefahren und nach einer guten Stunde am Ziel angekommen. Ich mußte die Wanderung gut timen, denn außerhalb der Stadt fahren die Busse nur alle drei Stunden oder so. Es paßte aber alles gut und mir einsetzender Dunkelheit war ich am Boot zurück.
Den größten Teil der Verproviantierung hatte ich am Vortag erledig, hatte aber ein paar Dinge vergessen, also ging’s zuerst nochmal zum Supermarkt zurück. Am nächsten Tag war Nationalfeiertag und ich würde nichts mehr bekommen. Außerdem wollte ich ja auch los.

Für die Strecke von knapp 800 Seemeilen nach Sal, Cabo Verde hatte ich zwischen 7 und 10 Tagen eingeplant.
Es sollte Starkwind geben und andere hatten beschlossen auf ein besseres Wetterfenster zu warten. Es war ja aber kein Sturm und ich dachte, daß es sicher nicht schlecht wäre, vor der Überfahrt auch mal zu testen, wie Amy un dich mit dieser Art von Wind und vor allem den Wellen umgehen würden.
Nachdem ich San Sebastián Port Control angerufen hatte und gebeten wurde, noch auf die Abfahrt der Fred Olsen Schnellfähre zu warten, hieß es Leinen Los und wir fuhren mit gutem Wind von hinten die Küste von La Gomera entlang nach Süden. Mit der Dunkelheit schlief der Wind ein und mir mußten ein paar Stunden motoren. Später ging es schwachwindig weiter, es reichte aber zum Segeln.
Am nächsten Morgen hatten wir stetige 5 Windstärken on wir flogen mit dem Großsegel auf der einen und der Genua auf de anderen Seite (Schmetterling) mit 6 Knoten dahin. Ich gewöhnte mich wieder an meinen Schlafplan und machte nicht viel außer kochen, lesen und später reffen für die Nacht.
Am nächsten Morgen hatten wir schon 6 Windstärken un dich war froh darüber, frühzeitig gerefft zu haben. Die Wellen wurden auch größer und ich mußte mich eigentlich ständig irgendwo festhalten, um nicht umhergeworfen zu werden.

MOB, POB, COB, WTF?
Einige Leser sind eventuell mit dem Terminus MOB (man over board) vertraut und mit den verschieden Manövern und Möglichkeiten, das Boot zu wenden, halsen etc um den besagten Mann hoffentlich wiederzufinden und wieder an Bord zu bekommen, was weitere Probleme aufwirft. Ich werde hier nicht in Details gehen. Ihr könnt das googeln und werdet tonnenweise Videos, pdfs und Diskussionen dazu finden. Ganz kurz gesagt: Jemand fällt ungewollt über Bord und alle, die sich noch an Bord befinden tun alles Menschenmögliche um denjenigen zurück an Bord zu befördern. Manche werden jetzt mitbekommen habe, daß ausschließlich von Männern die Rede ist. Bis vor Kurzem hatte sich niemand weiter damit beschäftigt, aber der Ausdruck wurde dann doch geändert in POB… Ihr habt’s wahrscheinlich schon erraten. person over board.
Bei COB ist das Ziel ein völlig anderes. Es ist quasi andersherum. Der Kurs des Schiffes muß gar nicht verändert werden. Da C kurz für Cockroach steht, besteht die ganze und einzige Schwierigkeit darin, C zum Überbordfallen zu bewegen. Sobald das erledigt ist, muß nichts weiter getan werden und die Crew kann sich gemütlich im Cockpit zurücklehnen und sich ein köstliches Glas warmes Wasser direkt vom Hahn am Steg in San Sebastián gönnen.
Ich hatte nun also wahrscheinlich eine Kakerlakenfamilie an Bord und ich hatte ein entzündetes Auge. Außerdem war ich beim Befehl an Wayne, den Kurs um 15 Grad zu ändern, auf den Cockpitrand gefallen und hatte mir dabei eine weitere Rippe geprellt. Zum Glück tat aber die vorher geprellte Rippe nun gar nicht mehr weh und ich mußte mich anstatt um zwei geprellte Rippen nur um eine geprellte Rippe kümmern. Ich war also bester Stimmung.
Mein Auge behandelte ich mit Kamillentee und das half ganz gut. In der Nacht gab es ein paar beunruhigende Funkrufe, die über eine Gruppe von Flüchtlingsbooten berichteten, die von der afrikanischen Küste auf dem Weg zu den Kanaren waren. Aufgrund der letzen gemeldeten Position und Kurs würden unser Kurse sich wahrscheinlich in der nächsten Nacht kreuzen. Also blieb ich die ganze Nacht auf und hielt Ausschau. Ich sah niemanden, hörte aber später, daß sie anscheinend in El Hierro angekommen waren.
In den nächsten Tagen wurde der Wind noch stärker und ich hatte mal wieder Delphine als Begleiter. Ich sah eine brasilianischen Frachter aber keine anderen Schiffe. Die Wellen waren mittlerweile beeindruckend und ich fragte mich, ob Wayne es wohl schaffen würde, daß wir nicht von den Wellen seitlich herumgedrückt würden. Der Wind war jetzt dauerhafter 30 Knoten. An irgendeinem Punkt hörte ich auf mit Filmen Fotografieren und auch mit Kochen. Ich blieb den ganzen Tag am Ruder und wurde sehr müde. Ein dummer Fehler, denn Wayne konnte viel besser steuern un dich hätte mich ausruhen sollen.
Wir hatten jetzt zwei Reffs im Groß und ein ausgebaumtes handtuchgroßes Vorsegel und surften mit bis zu 14 Knoten die Wellen runter. Es war eigentlich alles ganz komfortable un dich ging nach unten um einen 20min PowerNap zu halten…. Knapp 6 Stunden später wurde ich wieder wach. So etwas war mir noch nie passiert und hätte natürlich auch nicht passieren dürfen. Aber es war alles ok, außer daß der Wind noch etwas mehr zugenommen hatte und ich nun das dritte Reff ins Großsegel setzte.
Es war jetzt schon wieder hell un dich hatte gehofft, sal sehen zu können, aber es war diesig und es flog ständig Saharastaub durch die Gegend, der Amy mittlerweile rötlich gefärbt hatte und die Sicht auf ein Minimum reduzierte.
Ich hatte beschlossen, einen größeren Bogen zu fahren und mich der Insel von der Leeseite zu nähern. Die Wellen waren plötzlich wie ausgeschaltet, aber der Wind war immer noch stark  und begleitete mich bis in die Ankerbucht. Es war noch hell, als ich den Anker bei 30 Knoten Wind fallen ließ und ich verletzte ein bißchen, weil ich meine Hand von der Kette in die Bugrolle aus Stahl ziehen ließ. Zum Glück war nichts gebrochen und ich kam mit ein paar Schnitten davon. Der Anker hielt sofort und nachdem ich sichergestellt hatte, daß wir uns auch wirklich nicht bewegten schlief ich die ganze Nacht durch.
Am nächsten tag wurde ich durchlas laute Horn eines Schiffes geweckt. Es hörte sich sehr nah an. Als ich verschlafen aus dem Lux schaute, sah ich einen Frachter, der wegen mir und ein paar anderen Seglern nicht in den Hafen kam. Die Crew auf dem Frachter sah nicht gerade begeistert aus und machten Zeichen, daß wir wegfahren sollten. Wir hatten alle nicht damit gerechnet, daß die großen Schiffe anscheinend nicht direkt an der Mole anlegten sondern vorher in der Ankerbucht drehen und dazu deutlich mehr Platz brauchten. Immer noch leicht verpennt und in meinem Schlafanzug holte ich den Anker hoch und fuhr nach einem neuen Platz suchen. Der Wind war immer noch ziemlich stark und so war das nicht so leicht, aber alles ging gut. Nach ein paar Stunden, die mir die Sicherheit gaben, daß wir auch hier gut lagen, pumpte ich ds Dinghy auf und fuhr in den Ort um mich bei der Polizei und dem Zoll zu melden.
Am Fischeranleger war sofort klar, daß ich nun den europäischen Kontinent verlassen hatte und in Afrika angekommen war. Ich fühlte mich großartig und nach dem Behördengang ließ ich mich einfach treiben und als eins von den Aluguers (Minibusse, die ein bißchen wie öffentliche Verkehrsmittel funktionieren) vorbeikam und mich der Fahrer anrief ob ich mitwollte, stieg ich einfach ein ohne zu wissen, wohin wir überhaupt fuhren.
Ich verbrachte den Tag damit durch Palmeira und Espargos zu laufen, ein bißchen einzukaufen und eine lokale Sim Karte zu besorgen, um das Internet benutzen zu können. Es war sehr heiß und sehr hell und irgendwann fuhr ich zurück zum Schiff und schlief wieder ein.

Zwei Tage später holte ich Zissi vom Flughafen ab und wir verbrachten die nächsten zehn Tage damit, die Inseln Sal, Boa Vista, São Nicolau und schließlich São Vicente (wo wir jetzt gerade sind) zu erkunden.
Am Anfang waren wir etwas überfordert von den neuen Eindrücken, den Bildern, den Gerüchen, der Hitze, der Sprache un vielem anderen mehr. Bald stellten wir aber fest, daß die Menschen unglaublich freundlich, entspannt und gastfreundlich waren und daß eine Kommunikation mit einem Kauderwelsch aus französisch, spanisch und dem bißchen portugiesisch, das ich versucht hatte mit Podcasts auf der Reise zu lernen, tatsächlich möglich war. Wir machten ein paar Ausflüge mit lokalen Guides. Die Ankerplätze waren oft ziemlich ungemütlich und vor einem idyllischen Strand mit Schildkröten, die am Boot vorbeischwammen, hielt der Anker gar nicht und wir mußten die ganze Nacht Wache halten.
An Land gab es keine Duschen. Die Inseln sind ziemlich ausgedörrt und Wasser ist knapp. Wir hatten ein großes Abenteuer und sahen unglaubliche Landschaften und trafen tolle Leute. Ich habe zwischendurch das ein oder andere Mal die Nerven etwas verloren. Das Boot für eine ganzen Tag zu verlassen, wenn es stark windig ist und der Ankerplatz quasi völlig ungeschützt ist wahr etwas, an das ich mich noch gewöhnen mußten. Vieles flog im Boot umher wegen der Wellen. Kochen wurde zur Herausforderung. Ich schlief oft nicht gut und so war es ein sehr willkommener Luxus, nach Mindelo zu kommen und einen Platz in der einzigen Marina in ganz Cabo Verde zu finden. Wir feierten unser Abenteuer in der Floating Bar un konnten jetzt duschen und nachts ganz ruhig schlafen.
Am Sonntag fliegt Zissi von hier nach Hause und ich möchte auch am Sonntag los. Mein nächster geplanter Stop wäre dann hoffentlich Französisch Guyana nach 1800 Seemeilen.





2 Antworten auf „Cabo Verde“

  1. Lieber kai, das klingt alles so großartig! Ich komme gerade vom conexao gig im bflat…. Und jetzt lese ich von Euren Abenteuern. Wie schön, dass Ihr Teile der großen Reise zusammen verbringen könnt. Bleib stark und gesund!!!! Liebe Grüße von Friederike

    1. Liebe Friederike!
      Danke Dir. Ich freue mich. auch sehr, diese Reise machen zu können und zumindest Teile davon mit Zissi verbringen zu können ist toll.
      Mach’s gut und bis bald
      Kai

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